Kirche St. Marien
Ebenso wie die anderen alten Stadtpfarrkirchen prägt die gotische Backsteinkirche St. Marien das Stadtbild Greifswalds und hat Eingang in die Malerei Caspar David Friedrichs „Wiesen bei Greifswald“ (1820/22, Hamburger Kunsthalle) gefunden. Anfang des 19. Jahrhunderts war Friedrich diesem Gotteshaus darüber hinaus in ganz besonderer Weise verbunden.
Eine (fast) unendliche Geschichte – Ein Altar für St. Marien
Seit Beginn der 1790er Jahre wartete der marode Altar in der Greifswalder Marienkirche auf Erneuerung. Bereits 1797 hatte Johann Gottfried Quistorp einen ersten Entwurf angefertigt. Gehandelt wurde jedoch erst 1802, nachdem Teile des alten Renaissance-Altars während eines Gottesdienstes herunterstürzten.
Der mit dem Altarprojekt betraute Quistorp brachte für ein Gemälde den jungen und noch unbekannten Philipp Otto Runge ins Spiel, der sich in den Jahren 1805/06 mit religiösen Bildkompositionen wie der „Ruhe auf der Flucht“ beschäftigte. Der heranziehende Krieg brachte jedoch alle Pläne zum Erliegen, bis nach den Verwüstungen der französischen Besatzungszeit 1810 der ruinierte Innenraum drängender denn zuvor wiederhergestellt werden musste.
Man bat Quistorp und Johann Friedrich Droysen, Professor für Mathematik und Astronomie, um Entwürfe für den Altar, wobei Letzterer wegen der Gemälde mit Runge in Korrespondenz treten wollte. 1811 geriet das Projekt erneut ins Stocken, bis Droysen einen Vorschlag auf den Tisch legte, den Runge noch vor seinem frühen Tod an der Schwindsucht im Dezember 1810 gemacht hatte: den Ankauf von Friedrich August von Klinckowströms Kopie der „Heiligen Nacht“ nach Antonio Correggio, die sich im Besitz der befreundeten Familie Runge befand. Noch in diesem Jahr wurde das „preiswerte“ Gemälde für den Altar angekauft.
Sicher hatte der ebenfalls mit Klinckowström befreundete Caspar David Friedrich in Dresden vom Ankauf der ihm wohl bekannten Gemäldekopie für seine Heimatstadt erfahren. Als Friedrich 1815 in Greifswald weilte, bat man ihn zu einem „Lokaltermin“ in die Marienkirche, um seine Vorstellungen in Anwesenheit des Landrats und Bürgermeisters Meyer zu hören. Der Künstler sprach sich aufgrund der Kürze des Kirchenschiffs vehement gegen ein Gemälde im Altar aus und skizzierte seine Idee. Der Senat bat um einen Reinentwurf und übertrug ihm die Aufsicht über den Altarbau. Nachdem Friedrich aber seinen Riss übergeben hatte, lehnte man diesen aus Kostengründen ab. Doch steckte wohl mehr dahinter: Friedrich war offensichtlich beim Lokaltermin in der Marienkirche und während der nachfolgenden Verhandlungen zum Altarbau sehr selbstbewusst und bestimmend aufgetreten und hatte dadurch den Unwillen Meyers als des mächtigsten Mannes in der Greifswalder Bürgerschaft erregt.
Nach weiterem jahrelangem Hin und Her baute schließlich der Quistorp-Schüler Johann Gottlieb Giese das Gemälde von Klinckowström in einen Altaraufbau ein. Neben dem Altaraufbau über der Mensa mit dem Gemälde Klinckowströms erhielt die Chorinnenwand einen Plafond mit einer gitterartigen Stab- und Maßwerkstruktur. Die innere Altarzone auf einem Podium wurde mit einer Balustrade versehen. Am 1. April 1837 wurde die Neugestaltung des Chorraums und Altars der Marienkirche für abgeschlossen erklärt, die sich bis heute fast unverändert erhalten hat.